JAGD UND WALD
Einige allgemeine Vorbemerkungen zum Themenkomplex
Es gibt immer wieder Anlaß für den BUND, sich mit Forderungen an die Verantwortungsträger in der deutschen Jagd- und Forstpolitik zu wenden. Dabei geht es meist um die Vermeidung waldgefährdender Überhege der einheimischen "Schalenwildarten" Rehwild, Rotwild und Gemsen. Regional spielen zusätzlich die von Jägern eingebürgerten exotischen Arten Mufflon, Damhirsch und Sikahirsch eine dramatische Rolle bei der Waldverwüstung.
Es ist an sich schon ein deutliches Anzeichen einer abstrusen Situation, wenn ein großer Naturschutzverband sich gezwungen sieht, für vermehrten Abschuß von so schönen Großtieren wie Reh und Hirsch einzutreten. Die Situation unserer Wälder aber ist durch Immissionsbelastung, Klimaänderung, Zerschneidung und waldbauliche Fehler schon äußerst kritisch. Dies wird durch überhegte Schalenwildbestände potenziert. Die ersten drei Belastungsfaktoren sind bedingt durch außerordentlich starke wirtschaftliche Interessen. Sie abzustellen ist kompliziert und erfordert eine große, aber notwendige gesellschaftliche Anstrengung. Der BUND setzt sich nachdrücklich dafür ein. Die waldbaulichen Fehler wurden sicher auch nicht "aus Lust und Tollerei" gemacht, sondern die entscheidenden Erkenntnisse setzten und setzen sich leider viel zu langsam in der Praxis durch. Der BUND macht auch hier Druck, daß die Mißstände behoben werden. Die Forderungen zur Behebung dieser Bedrohungen sind aber nur glaubhaft zu vertreten, wenn wir gegen alle Bedrohungen des Waldes angehen. Dies gilt ganz besonders, wenn es sich um Faktoren handelt, die wesentlich weniger wichtige Belange der Gesellschaft oder gar nur das Hobby einer winzigen Minderheit darstellen.
Nur knapp 0,5 % der Deutschen sind "Jäger". Davon sind die meisten (jungen) Förster, Waldbesitzer und Berufsjäger vernünftig und kein Problem. Daneben gibt es die Hobbyjäger und unter ihnen eine Gruppe, die die Jagd als Hobby betreibt, weil sie gerne im Freien sind und/oder gerne gelegentlich einen guten Braten nach Hause bringt. Das mögen viele Nichtjäger kritisch sehen, aber ein gravierendes ökologisches Problem verursacht auch diese Gruppe nicht. Damit sind sicher weit über die Hälfte von den 0,5 % abgedeckt. Es verbleibt ein kleiner Rest von weniger als 0,1 % der Bevölkerung. Sie bilden wiederum zwei Gruppen: Die "hochpassionierten" Waidmänner und die Jagdinhaber aus geschäftlichen Gründen. Letztere bieten Geschäftspartnern aus der Gruppe der "Hochpassionierten" Möglichkeiten, ihre "Passion" auszuleben. Diese Gruppe der "Hochpassionierten", wie sie hier verstanden sein soll, ist extrem hoch motiviert. Sie bezieht ihren Antrieb meist nicht nur aus dem sportlichen und/oder kommerziellen Bereich, sondern teilweise auch aus der "Erotik des Tötens und des Waffenbesitzes". Viele von ihnen fallen unter den volkstümlichen Begriff "Machtmenschen" und solche haben oft die Kraft, erfolgreiche Politiker oder Jagdverbandsfunktionäre zu werden. Ihre Motivation sollen einige Zitate des Psychologen, Ethnologen und leidenschaftlichen Jägers Paul Parin weiter beleuchten.
Damit sind aber nicht alle erfolgreichen Politiker zu diesem Typ gezählt!! Und auch unter den jagdlich orientierten Verbänden gibt es sehr positive Ausnahmen wie den Ökologischen Jagdverein (ÖJV) oder die ihm nahe stehende Arbeitsgemeinschaft Naturnahe Jagd in Norddeutschland.
Die winzige Gruppe der oben beschriebenen Problemfiguren aus den Reihen der deutschen Jägerschaft ist es, die uns, den "normalen" Jägern und dem Wald die Probleme schafft. Diese Waidmänner sind es, denen wir mit unseren ökonomischen, waldbaulichen, landeskulturellen, ethischen und moralischen Argumenten bei ihrer "Triebbefriedigung" (Tinbergen und Lorenz) in die Quere kommen. Unsere Argumente stammen aber aus völlig anderen Bezugssystemen als deren Antrieb. Wir reden über Geld und Moral, und sie denken an Dominanz und Lust. So findet echte Kommunikation in den Diskussionen und Veranstaltungen oft kaum oder gar nicht statt, und wenn der Druck unserer Argumente doch deutlich wahrgenommen wird, wird eine Diskussion der wahren Antriebe tunlichst vermieden, und es kommt zu emotionalen Ausbrüchen, die Uneingeweihte oft völlig verblüffen.
Nun sind aber die zum Zwecke
der "Triebbefriedigung" oder ihrer kommerziellen Nutzung überhegten
Schalenwildbestände (Rothirsch, Reh, Gämse, Damhirsch, Sikahirsch, Mufflon)
ein Faktor, der auf großen Teilen der deutschen Waldfläche alleine schon
hinreichend wäre, den Wald zu ruinieren. Diese Tiere ernähren sich zu einem
erheblichen Teil von den Knospen, Blättern und Nadeln junger Bäume. Die
Männchen der Hirschartigen beschädigen außerdem junge Bäume beim alljährlichen
Fegen ihres Geweihes. Die Hirsche schälen auch noch die Rinde mittelalter
Bäume; und sie beschädigen in der Brunft Sträucher und junge Bäume, indem sie
heftig mit dem Geweih darin herumschlagen. Betroffen von solchen Wildschäden
sind nach Angaben des BML in der neuesten Bundeswaldinventur trotz aufwendiger
Schutzvorkehrungen von den
Bäumchen zwischen 20 und
50 cm Höhe 33 % und von denen von
50
bis 130 cm Höhe 28 %. Bei den ökologisch besonders erwünschten
Laubbäumen
sind es sogar 38 % bzw. 35 %. Dadurch entstehen riesige ökonomische Schäden
für die Forstwirtschaft, aber auch die normale Entwicklung und Funktion des
Waldes wird schwer gestört. Der Grund dafür ist, dass der Wildverbiss nicht an
allen Pflanzenarten gleich intensiv geschieht. Bestimmte Kräuter und Baumarten
werden bevorzugt gefressen. Die Folge ist eine Verarmung der Kraut- und
Strauchschicht und eine Entmischung des Baumbestandes auch dann, wenn der
Förster sich bemüht, naturnahe Mischwälder zu begründen. Eine Verjüngung des
Waldes ist dann nur bei Pflanzung und vieljähriger Einzäunung der gepflanzten
Waldflächen möglich. Dabei entstehen aber zwangsläufig immer wieder
gleichaltrige Bestände mit vielen waldbaulichen und ökologischen Nachteilen.
Eine moderne, wirklich ökologische Waldnutzung, wie sie der BUND will, verzichtet aber weitgehend auf Pflanzung. Wir wollen aus vielen wichtigen Gründen die in den Texten zum Waldbau ausgeführt sind, dass sich der Wald selbständig, auf natürliche Weise, fortlaufend verjüngt und dass dabei alle Pflanzenarten des Waldes eine Chance haben aufzuwachsen. Damit wird dann auch die Grundlage gelegt, für einen standortgemäßen Bestand an Mikroorganismen, (Mykorrhiza-)Pilzen, Klein- und Großtieren. Die wichtigen Schutzwälder im Gebirge können überhaupt nur so ihre für den Menschen so wichtige Funktion dauerhaft erfüllen.